Erinnerungskultur

Entwurf für eine Gedenktafel aus dem Jahr 2289, gewidmet der East Side Gallery und der Gedenkstätte Berliner Mauer

‘Die Zukunft ist schon da – sie ist nur nicht sehr gleichmäßig verteilt’
— William Gibson

Zielsetzung:

Mit meinem Projekt möchte ich die Besucher zum Nachdenken über mögliche Konflikte anregen, die einen Ort umgeben, der Offenheit und konfliktfreie Begegnungen für sich beansprucht. Dies sollte auf eine nicht-intellektuelle Weise geschehen, sondern durch ein Spiel mit Phantasie, Mythos und Geschichte.Mein Standpunkt:Um die in der Ausschreibung gestellten Fragen zu beantworten, setze ich mit der Bedeutung der East Side Gallery und der Gedenkstätte Berliner Mauer auseinander und damit, welche Rolle dort ein Kunstwerk oder eine Installation spielen kann. Dabei möchte ich betonen, dass ich mich als Künstler und nicht als Politiker verstehe, und meine Kunstwerke nicht als Antwort, Theorie oder Manifeste gedacht, sondern vielmehr als Fragen. Jüngste Forschungen haben bestätigt, dass Menschen nicht bereit sind, ihre Überzeugungen allein anhand von Fakten zu ändern. Vielleicht sind offene Fragen eine bessere Option.

Eine Gedenkstätte oder ein Denkmal für das Ende eines repressiven Regimes sollte uns an unsere Freiheit erinnern. Und wenn es um die Freiheit geht, sollte die Gedenkstätte für alle offen sein. Das ist ihre primäre Aufgabe. Um mehr als ein Uferstreifen mit alten Objekten und Kunstwerken, sondern ein wirklich offener Raum zu sein, ist die East Side Gallery auf die Hilfe ihrer Besucher angewiesen. Die Reduzierung einer Gedenkstätte auf bloße Kulisse kann unterschiedliche Folgen haben, wie z.B. sexy Selfies in Konzentrationslagern, Diebstahl von Artefakten, Zerstörung historischer Orte und, last but not least, das Gefühl, große historische Ereignisse mit einem Gedenktag zu begehen heiße nur “weitere freie Tage“ zu bekommen. Nicht zu vergessen bestimmte Politiker, die der Meinung sind, uns gehe es großartig, deshalb sollten wir nicht an die schlechten Aspekte unserer Vergangenheit erinnert werden.

Mein Vorschlag:

Ich schlage eine Installation vor, die Fragen zur Sprache bringt und zur Diskussion einlädt, indem sie ein Was-wäre- wenn-Szenario in Form einer Science-Fiction-Geschichte präsentiert: Eine Installation als Artefakt aus der Zukunft. Meine Installation erzählt davon, wie 2289, zweihundert Jahre nach dem Fall der Mauer, ein Denkmal für die Berliner Mauer und für die zerstörten Gedenkstätten gebaut wird. Von der am Denkmal angebrachten Gedenktafel erfahren wir zwar von der Zerstörung der Gedenkstätten, der Zeitpunkt der Zerstörung oder die Ursache bleiben jedoch unbekannt. Wir bekommen lediglich einen Katalog möglicher Ereignisse und Gründe angeboten. Die einzelnen Punkte sollten uns vertraut vorkommen, denn sie stehen im Zusammenhang mit Konflikten unserer Zeit.

Das Denkmal kommt in keinem schicken Science-Fiction-Stil daher, sondern wirkt im Gegenteil fast antiquiert – aber nicht ganz. Auch dies soll den Betrachter zum Nachdenken animieren. Die Populärkultur suggeriert uns, wir gehen mit der Zeit vorwärts in eine glorreiche Zukunft – aber das muss nicht unbedingt stimmen. Die Archäologie ist ein Beweis, dass es in der Geschichte ganz sicher nicht der Fall war. Auch deswegen ist es wichtig, die Erinnerung daran wach zu halten, was passiert, wenn die Freiheit weggenommen wird.

Gestaltung:

Das Denkmal, so wie es jetzt konzipiert ist, besteht aus drei Teilen:

  • Ein Triptychon mit einem zentralen Bild und zwei seitlichen Bildern:
    • Das zentrale Bild ist teilweise von Triptychons vergangener Jahrhunderte inspiriert, die in der Mitte eine Göttin oder eine Person in höchsten Ämtern darstellen vor dem Hintergrund der Umgebung und historischer Ereignisse
    • Die Seitenbilder zeigen Stadtansichten von Berlin und sind zum Teil so gestaltet, dass sie das klassische Triptychon-Gefühl vervollständigen. Aber auch sie sollen ein Berlin wiedergeben, das zwar erkennbar bleibt, aber nicht aus dieser Zeit zu stammen scheint.
  • ein oder zwei Ornamentbehälter mit Resten der Berliner Mauer. Die Form und die Art und Weise ihrer Gestaltung erinnern an Heiligenschreine für alte Reliquien (mit Zähnen von Heiligen oder Holzsplittern vom Kreuz).
  • zwei Gedenktafeln in deutscher und englischer Sprache, die den Grund für das Denkmal erläutern, wobei sie vorwiegend über mögliche Szenarien der Zerstörung der alten Gedenkstätten spekulieren.